Collect Power by telephone

Walter E. Baumann hatte die Idee, kleine Radiosendungen auf einem Anrufbeantworter zu verbreiteten. Ich kaufte für 1000 DM ein Ansagegerät, was damals sehr viel Geld war. Das erste Tape lief im September 1986.

Einer der Amsterdamer Radiokünstler von Radio Rabotnik hatte ein paar originell-künstlerische Verhaltensregeln herausgegeben: „Make stress but know it’s a game“ oder „Collect Power by Telephone“. Später übernahmen wir dieses Motto für unsere Telefonsendungen.

Die Minisendung wechselte täglich, naja oder fast täglich. Das waren meist ausgewählte Veranstaltungshinweise – Musik, Ausstellungen, Partys, etc. Die Telefonphase dauerte insgesamt ungefähr drei Jahre lang. Achim Wollscheid steuerte eine komplette Industrial-Serie bei.

Irgendwann habe ich auch ein „The best of Telephone Tapes“ zusammengestellt, das noch existiert ebenso wie eine Reihe von Originaltelefonsendungen. Das Gerät war im Prinzip ein Anrufbeantworter, auf dem man allerdings keine Nachrichten hinterlassen konnte. Die „Sendung“ wurde auf ein spezielles Endlostape aufgenommen und konnte maximal vier Minuten dauern. Bei kleinsten Sendelöchern und zu geringem Pegel brach das Gerät die „Sendung“ einfach ab und man konnte ab dieser Stelle neu anfangen. Wir konnten ja keine Sendungen schneiden. Jedenfalls von den digitalen heutigen Möglichkeiten her betrachtet war alles vorsintflutlich und umständlich. Aber es hat funktioniert. Die Leute riefen sehr häufig an. Jahre später haben mir ein paar Leute erzählt, dass sie fast täglich bei unserem Telefonradio angerufen haben.

Zu der Zeit spielten Montagnacht um 1 Uhr sehr gute Bands im Cooky’s. Wir trafen uns so gegen 23.30 Uhr im Tatcafé – das war in dem Gebäude, in dem heute das Metropolis ist – und gingen dann rechtzeitig zu den Konzerten „rüber“. Zu der Zeit war Ralf Rainer Rygulla Geschäftsführer im Cookys, und das Programm war wirklich legendär. Rückblickend habe ich das Gefühl, für eine bestimmte Zeit jeden Montagabend im Cooky’s gewesen zu sein und alle Bands gesehen zu haben, was natürlich nicht stimmen kann. Konkret kann ich mich an Galliano erinnern, Lydia Lunch, Fishbone, der Plan und Psychic TV.

Dass ich oft am Dienstagmorgen um 8 wieder aufstehen musste, war mir eigentlich egal, irgendwie schaffte ich es immer, pünktlich auf meinem Job zu sein. Oft musste ich nach dem Konzert mitten in der Nacht noch meine kleinen 4-Minuten-Sendung aufnehmen, und das konnte dauern...

•  07. März 2011